Full text: Unter den Brücken der Metaphysik

die Ewigkeit und/ zu dir selbst zurückkehrend/ hast du dir gesagt: 
ich lebe nicht. »Was denn ist das wahre Leben, wenn nicht jenes, 
so das ewige Leben ist?« (In Joannis Evangelium. Tractatus XXII, 3) 
Kann ich denn glücklich sein, ohne immer zu sein? Was ist das für 
ein Glück, das keine Dauer hat? Ist es nicht viel mehr Elend als 
Glück? Ich liebe und bald werde ich nicht mehr lieben. Kann es Liebe 
geben ohne Ewigkeit? 
So sprachst du zu dir selbst; und als du dem begegnetest, was nicht 
ewig ist, wandtest du dich bald davon ab — in die Ewigkeit ver¬ 
liebt, wie du warst. Und du sagtest: das ist nicht, was ich suche, 
das ist nicht, was ich liebe. Ich habe es geliebt, solange ich es nicht 
hatte, und ich liebte es schon nicht mehr, als ich es hatte. »Was 
sterblich ist, wird mich nicht sättigen, was in der Zeit ist, wird 
mich nicht sättigen.« (Enarr. in Ps. CII, 10) Ich brauche etwas 
Ewiges, ich brauche Ewigkeit. Denn wo sonst soll ich mich aus¬ 
ruhen, die ich sein will und die ich liebend Ruhe suche in dem, 
was ich liebe, damit ich in meiner Liebe dauern könne? Aber 
nirgendwo fand ich, was ich suchte, überall wohin ich ging, bin 
ich dem Nichts begegnet, und alle Geschöpfe sagten zu mir: ich bin 
nicht der, den du suchst, ein anderer ist es — jener ist es, welcher 
das Leben unseres Lebens ist, da er das Leben alles Lebens ist. Er 
aber ist schön, weil er schön ist, so wie er ist; aber wir sind schön, 
ohne es zu sein, da wir nicht sind, was wir sind, und selbst schön. 
Wer also könnte uns schön nennen, da unsere Schönheit kommt 
und wieder geht, und jeder von uns durch das schön ist, das ihm 
Schönheit verleiht, ihm, der sich nicht wandeln und sein kann, was 
nicht ist? Da du uns liebtest, hast du nicht uns geliebt, sondern 
das, was schön ist, das Schöne, das sich schön sieht, da es für sich 
schön ist. Warum sagtest du also zu diesem oder jenem Geschöpf 
gewandt: »Ihr seid, was ich suche?« Siehst du denn nicht unser 
Nichts? Siehst du denn nicht, der du uns liebst, daß wenn du uns 
liebst, wir schon nicht mehr sind? Du liebst das Leben, wie kannst 
du lieben, was schon nicht mehr lebt? Du liebst den Tag, wie 
kannst du uns lieben, uns, denen du in der Nacht begegnet bist? 
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