ÜBER DAS DENKEN DES HL. AUGUSTIN
— Du sagst, du willst die Seele und Gott erkennen? — Das ist
mein einziges Trachten. — Nichts sonst? — Nein, sonst gar nichts.
(Soliloquia, Liber I, Caput XV, 27)
Aber weißt du denn gar nichts, du, der du wissen willst? — Ich
weiß, daß ich existiere, daß ich jetzt da bin. Ich bin meines Da¬
seins gewiß, da ich nie von mir selbst weg sein kann. Ich lebe. —
Aber weißt du wirklich, daß du lebst? — Ich weiß es. Wie könnte
ich daran zweifeln? »Denn wer könnte denn zweifeln, daß er lebt
und sich erinnert, und will, und denkt, und weiß, und urteilt? Mag
er auch zweifeln; zweifelt er, so lebt er; zweifelt er, so erinnert er
sich, warum er zweifelt; zweifelt er, so begreift er, daß er zweifelt;
zweifelt er, so will er gewiß sein; zweifelt er, so denkt er; zweifelt
er, so weiß er, daß er nicht weiß; zweifelt er, so hält er dafür, daß
er nichts unbesonnen hinnehmen darf. Wer an anderem zweifelt,
an all dem kann er nicht zweifeln; sonst könnte er an überhaupt
nichts zweifeln.« (De Trinitate, Liber X, Caput XIV) — Aber viel¬
leicht schläfst du und siehst alles, was du zu sein glaubst, nur im
Traum? Gleichen die Träume der Nacht nicht seltsam dem, was man
am Tage schaut? — Deshalb sage ich auch nicht: ich bin erwacht,
sondern: ich lebe. Ob ich nun schlafe oder wache: ich lebe. Schlafen
und im Traum schauen, auch das ist leben.
Ich weiß also, daß ich lebe. Ob ich schlafe, ob ich wache, ob ich
denke, ob ich zweifle, ob ich mich erinnere, ob ich will, ob ich
liebe: das gleiche Leben beseelt alles, was in mir vorgeht. Ich
lebe — und kann ich noch zweifeln, daß ich leben will? Ich will