Full text: Unter den Brücken der Metaphysik

Augenblicke im Leben, von wo an alles, was sich später ereignet, 
wie eine Folge von Träumen erscheint, von denen man mit dem 
Gefühl dessen erwacht, der gerade im Begriff ist einzuschlafen. Und 
in seinem Leben war das ein solcher Augenblick; oder man kann 
auch sagen, daß uns in derartigen Augenblicken etwas wie ein 
Staunen oder eine Frage erfaßt, und daß alles, was nachher kommt, 
nur eine Folge von Deutungen oder Erklärungen ist, aber keine 
Antwort. 
Aber wir müssen unseren Bericht fortsetzen und sehen, wie Soren 
Kierkegaard lernte, daß Dinge und Menschen existieren. Denn 
damals setzte sich das Leben noch nicht aus Dingen und Menschen 
(von ihm selbst ganz zu schweigen) zusammen, sondern nur aus 
größeren Gruppierungen, die stets viele, viele verschiedene Dinge 
enthielten. Da war zuerst die Umwelt, wenn man sie so nennen 
soll — der Ort, wo man nicht wohnt. Man geht nicht zu dem oder 
jenem Menschen; zum Beispiel geht man nicht zu seiner Gro߬ 
mutter, sondern man geht an einen Ort, wo viele Leute sind, und 
man differenziert nicht unter den Vielen, keiner hebt sich für einen 
von der Masse ab. Man ist eben »anderswo«, und über dieses 
»Anderswo« konnte Sören Kierkegaard nichts Genaueres erfahren, 
auch später nicht, als er sich an die großen Leute wandte. Auch 
später blieb ihm diese Gesamtschau, obwohl er gelernt hatte, 
zwischen Einheit und Gesamtheit und zwischen den einzelnen Men¬ 
schen zu unterscheiden. Denn das genügte nicht, um den Eindruck 
der Ganzheit verschwinden zu lassen, ihn zu entkräften; er wich 
nur ein wenig zurück, und immer noch blieb eine unbestimmte 
Ganzheit, die hier oder da verschieden war. Zuweilen scheint ihm 
jetzt, seine erste Art der Weltanschauung sei tiefer, endgültiger 
gewesen, und er habe, was dann noch kam, von Fall zu Fall ein¬ 
geordnet, wie es ihm vom Leben gerade zugebracht wurde; und 
sicherlich verhielt es sich so mit dem, was ihm später zugekommen 
war: mit dem »Wissen«, das ihm über dies oder jenes Aufschluß 
gab. 
Es gibt Dinge und es gibt Menschen, aber die Dinge standen ihm 
138
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.