nichts angeht, und denken nicht über das nach, was alltäglich um
sie herum vorgeht. Und die Straßen, die Wagen und die Leute
waren für ihn, was für die großen Leute der Sternenhimmel war,
und sein Zimmer war das, was sich von selbst versteht.
Ein einziges Mal wurde er sich der weiten Welt bewußt. An dem
Tag nämlich, als er sich verlief. Da bemerkt man dann plötzlich,
daß viele, viele Menschen da sind, daß man »anderswo« ist und
daß es einem nicht gelingt, sich in all dem zurechtzufinden. Das ist
wie ein seltsamer Traum. Da weiß man dann mit einem Mal, daß
man klein ist, und es wird einem klar, daß es andere Leute gibt.
Ebenso wurde ihm eines Tages ausnahmsweise das tägliche Leben
bewußt. Da fing er an zu weinen, unaufhörlich zu weinen. Man
sagte ihm, das sei das »Nieselwetter«. Aber ihm erschien es wie
eine lange, lange Zeit dahinschleichender Stunden, der Düsternis.
Etwas, das draußen war, sperrte ihn ein. Sonst wußte er nichts von
den Tagen und Stunden. Die Welt war außer der Zeit, und für
ihn kam nicht zuerst dies und danach jenes. Später wurde ihm klar,
daß auch die großen Leute Mühe haben zu erfassen, welche Rolle
die Zeit spielt, und daß sie von sich reden, wie wenn die Zeit
keine Gewalt über sie hätte.
Einmal jedoch erkannte er, daß es neben seiner Welt noch etwas
anderes gab. Sören Kierkegaard wußte damals noch nichts von der
Nacht. Er lernte sie erst später kennen. Aber eines morgens er¬
wachte er sehr früh, und im Zimmer war eine graue Helle, und ein
großes Bett war da und nicht der geringste Laut war vernehmbar.
Und er konnte die Richtungen nicht mehr unterscheiden. Er wußte
nicht mehr, was vorn und was hinten war, wo die Tür und wo
das Fenster war. Und er ergab sich völlig dem Unbestimmten, das
alles umfloß. Es war, als hätte er etwas ganz Neues entdeckt. Viel¬
leicht hätte man es die Seele nennen können, oder das Gefühl,
etwas trage einen, oder auch das Gefühl der absoluten Einsamkeit.
Es scheint ihm jetzt, erst damals sei er zum ersten Mal ganz er
selbst gewesen und auch heute brauche er nur viele Dinge zu ver¬
gessen, um von neuem der zu sein, der er damals war. So gibt es
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