natur, die ihnen gemeinsam ist. Aber diese Ähnlichkeit ist nichts,
das sie vereint. Und genau so verhält es sich mit dem Leben jedes
einzelnen. Die Menschen teilen ihr Leben auf, denn wie könnten
sie es in seiner Gesamtheit begreifen, da sie es unter dem Ge¬
sichtspunkt der Persönlichkeit betrachten? Das Kind ist nicht, was
der Mann sein wird, und selbst wenn du glaubst, deine Eigen¬
schaften in der Kindheit wiederzufinden, so läßt sich daraus keine
Einheit des Lebens gewinnen. Denn nicht, daß ich so oder anders
war, verlieh meinem Leben Einheit, sondern dieses Leben in sei¬
nem Ablauf selbst. Daß ich Mensch unter anderen Menschen bin,
besagt nicht, daß wir ähnlich sind, sondern daß wir dasselbe Schick¬
sal teilen. Und so möchte ich mein Leben in seiner Gesamtheit und
die Welt, die ich erfahre, erfassen. Und daher muß man auch dem
Kind die Frage stellen, was das Leben und was die Welt ist.
Ich wähle die Jugendgeschichte von Sören Kierkegaard, weil sie
viele bemerkenswerte Dinge aufweist. Wie es war, als Sören noch
ganz klein war, darüber gibt er sich kaum Rechenschaft. Er weiß,
daß es etwas gab, das eben so war und sich ganz von selbst ver¬
stand, und daß es daneben viele fremde Dinge gab. Aber er ist
sich nur dessen bewußt, was fremd ist. Es gab Zimmer, die
man nur selten betrat; sie waren fremd. Eines von ihnen hatte
Fenster mit Butzenscheiben. Daß in diesen Zimmern auch andere
Personen waren, beachtete er kaum, denn er wußte noch nichts
davon, daß den Leuten eine besondere Bedeutung beikommt. Nein.
Es gab große Zimmer, es gab solche, die hell, und solche, die düster
waren. Was draußen vorging, wußte er nicht genau, denn er war
darauf nicht neugierig. Es war ihm nicht vertraut, es war nicht
Teil seiner Welt. Wenn man ihm dies oder jenes berichtete, so
behielt er etwas davon, aber es war etwas Fernes und anders als
das, was er in diesen Zimmern empfand, die man mit dem Blick
in sich aufnimmt und zu denen man gehört. Wenn etwas in dich
eindringen soll, muß es etwas Fremdes, aber auch Nahes sein.
Später bemerkte er, daß es bei den großen Leuten ebenso ist; sie
sehen den Sternenhimmel nicht, weil er zu weit weg ist und sie