folgte. Man wird in den folgenden Essays kurze Randskizzen zur
Anthropologie sehen. Man lasse sieh durch den Aspekt des Liebens¬
würdigen, des Wohlbekannten nicht täuschen. Sie zielen höher
hinaus und diese Zielsetzung macht ihre Seele aus. Es geht um
nichts Geringeres als darum, aus kleinen Stücken und Bruchteilen
die neue intelligible Welt zu bilden.
Die Liebe zum Gegner
Aber solange diese Welt noch nicht konstituiert ist? Nun, Groet-
huysen war der Meinung, ein Philosoph, der diesen Namen ver¬
dient, müsse sich bis dahin der Äußerung enthalten. (Und wer
würde es wagen, vom Teil zu reden, wenn er das Ganze nicht
kennt?) Das kann nur von Nutzen sein.
Denn das Paradoxe und das Gefährliche des Systems, der Abhand¬
lung — des Geschriebenen allgemein — liegt darin, daß es weniger
einen Gedanken in Aktion ausdrückt, als vielmehr einen zum Still¬
stand gekommenen Gedanken; einen Gedanken, der nicht mehr da
ist. Descartes, sagt Groethuysen (ungefähr), denkt nach, er denkt
und denkt. Dann findet er: »Ich denke, also bin ich«, und hört auf
nachzudenken.
Dieser Gedanke hat mich lange Zeit erstaunt. Ich frage mich, ob er
nicht doch dem Irrtum, vielleicht sogar der Lüge, allzuleicht die
Tür öffnet. (Aber sind wir überhaupt fähig zu lügen?) Bei Groet¬
huysen jedenfalls gab er nur der entschiedensten Unabhängigkeit
Raum.
Groethuysen zog seiner ganzen Natur nach die Fragen den Ant¬
worten vor. Oder vielmehr, er hatte keine Ruhe, bis er hinter
jeder Antwort die Frage entdeckte, die jene ausgelöst hatte: er
war ununterbrochen auf der Suche nach einem Gedanken, der
nicht das Denken zum Stillstand bringt, und vertraute im übrigen
auf den Geist, in der festen Überzeugung, daß es keine Idee gibt
— sie möge noch so absurd oder verrückt erscheinen —, die nicht
ein feiner Faden mit den anderen Ideen verbindet.
li