scharfsinniger Weise vor: Man setzte die Gültigkeit aller
anderen geometrischen Axiome voraus, nahm aber an,
daß das Parallelenaxiom falsch sei, daß man also zu einer
gegebenen Geraden durch einen außerhalb von ihr liegen¬
den Punkt entweder keine oder viele Parallelen ziehen
könne. Unter diesen Voraussetzungen entwickelte man
in der üblichen Weise die besonderen Lehrsätze einer
„Geometrie“. Und nun sagte man sich: die unter der
Voraussetzung der Gültigkeit aller anderen Axiome,
aber der Ungültigkeit des Parallelen axioms ent¬
wickelten besonderen Sätze müssen entweder in sich logisch
widerspruchsvoll oder in sich logisch widerspruchsfrei sein.
Sind sie widerspruchsvoll in sich, so ist bewiesen, daß
das Parallelenaxiom eine logische Konsequenz der übrigen
geometrischen Axiome, also „beweisbar“ ist; sind sie wider¬
spruchsfrei, so ist das Parallelenaxiom als echtes Axiom,
also als nicht aus den anderen geometrischen Axiomen
ableitbar, als nicht durch sie beweisbar erwiesen. Denn
es muß sich logischer Widerspruch ergeben, wenn man
als Grundlage der Beweisführung die Gültigkeit
gewisser Sätze, aber zugleich die Ungültigkeit
einer notwendigen Konsequenz dieser Sätze an¬
nimmt.
Es ergab sich nun, daß sich eine „nicht-euklidische
Geometrie“ frei von inneren logischen Widersprüchen
entwickeln läßt. Das heißt: Es führt nicht zu logischem
Unsinn, wenn man alle anderen geometrischen Axiome als
gültig ansieht, das Parallelenaxiom aber als ungültig.
Also ist das Parallelenaxiom nicht eine logische Kon¬
sequenz der anderen Axiome, also nicht aus ihnen ableitbar,
nicht durch sie beweisbar, also ein echtes für sich
bestehendes „Axiom“.
Ja, man konnte sogar zwei verschiedene in sich wider¬
spruchsfreie nicht - euklidische Geometrien aufbauen, je
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