Full text: Philosophische Gegenwartsfragen

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Studien über Ganzheit. 
das, was wir „vorfinden“ genannt haben und das hier 
kein unmittelbares Vorfinden ist1). 
Wo immer der Forscher mit wissenschaftlichen, d. h. 
mit Ordnungsabsichten, an einen zusammengesetzten 
Vorgefundenen Gegenstand herantritt, muß er ihn, nach¬ 
dem er seine Zusammengesetztheit erfaßte, zunächst zer¬ 
legen. Er muß also zunächst stets „Analyse“ treiben. 
Das wußte schon Descartes. 
Die Zerlegung treibt er bis zu dem, was er für nicht 
weiter zerlegbar hält. Das wollen wir, in absichtlicher 
Sinngebung an dieses Wort, „einfach“ nennen. Wir haben 
oben gesagt, daß er gelegentlich auch wohl Einfaches un¬ 
mittelbar vorfinden könne, z. B. einen Kristall, eine Eisen¬ 
kugel. 
Man sieht, das WTort „einfach“ steht uns für homogen. 
Das Einfache in diesem Sinne ist also rein räumlich (wo 
Natur in Frage ist) noch zu zerlegen, seiner Qualität nach 
aber nicht. Jedenfalls wollen wir das seiner Qualität nach 
Homogene „einfach“ nennen. 
Wir haben gesagt, daß der Forscher die Zerlegung des 
Zusammengesetzten bis zu dem treibe, was er für einfach 
hält. Sein Haltmachen ist also stets ein vorläufiges, und 
auch, wo er unmittelbar Einfaches vorfindet, darf ihm 
das nur vorläufig als einfach gelten. Denn oft erwies 
sich scheinbar Einfaches doch noch bei genauerer Prüfung 
als zusammengesetzt. 
Physik und Chemie haben heute die Analyse bis zum 
Elektron und Proton getrieben; die meisten Forscher 
sehen aber, in berechtigter Vorsicht, diese Elemente nur in 
sehr vorläufiger Weise als echt Einfaches in unserem Sinne 
an. Es konnte sich um Bewegungszustände einer wahren 
Materia prima (wäre sie wirklich „prima“?) handeln. 
*) Ordnungslehre, 2. Aufl. 1923, S. 146 ff.
	        
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