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Intuition und Positivismus.
fassung ebensowohl ein legitimes Problem wie die durch
die Worte „Seele“ und „Unsterblichkeit“ ausgedrückten,
bereits im Rahmen der Ordnungslehre auftretenden Fra¬
gen, die, wie wir wissen, von den Wienern ja auch als
legitime philosophische Probleme abgelehnt werden.
Hier möchte man aber denn doch in der Tat noch ein¬
mal sagen: Hat es wirklich für die Wiener „keinen Sinn“,
zu fragen, ob nach „meinem Tode“ noch etwas „sei“, ja,
ob „ich“ da nicht vielleicht noch in irgendeiner heute un¬
sagbaren Form als erlebender „sei“? Würden die Wiener
diese Fragen als sinnvolle, wenn auch nur hypothetisch
zu beantwortende, wirklich leugnen, so wären sie radikale,
solipsistische Traumidealisten — und ich meine, das wür¬
den sie bestreiten. Bestreiten sie das aber, so sin d sie selbst
Metaphysiker und verstoßen selbst gegen ihre Lehre, daß
das An-sich-Sein kein legitimes Problem sei; zum minde¬
sten sind sie es insofern, als sie, implizite jedenfalls, vor¬
geben, daß unabhängig von seinem Erfaßtsein, als auch
unabhängig von meinem Tode etwas „sei“. So ein „Realis¬
mus“ ist schon Metaphysik.
Doch wir kehren zurück zum Begriff des Positivis¬
mus:
Wir sagten, Positivismus sei die Vorschrift, sich in
empirischen Dingen von den gegebenen Daten bei
ihrer Ordnungserfassung leiten zu lassen — also von
Jetzt-Hier-So-Daten, wo Natur, wo Ich-Jetzt-So-Daten,
wo Seele in Frage kommt.
Beschränken wir uns auf Natur, so bedeutet nun „Po¬
sitivismus“ nicht, wie gelegentlich irrtümlich gesagt
wird, daß die gegebenen Daten von der Form Jetzt-Hier-
So in ihrem unmittelbaren Erlebtsein ordnungshaft
verkettet werden sollen. Das würde nie zu „Naturwissen¬
schaft“ führen.