Wissen und Handeln.
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der Wissenschaft angenommen. Und nun muß auch
der, dem seiner Anlage nach Handeln das Wichtigste ist,
wie wir gesehen haben, Wissen in Form der Wissenschaft
für sein Handeln benutzen, wenn er nicht auf die besten
Mittel für sein Handeln verzichten will.
Wissenschaft aber ist nicht eine besondere geheimnis¬
volle Angelegenheit, sondern ist nur das, was schon im
alltäglichen Leben Wissen heißt, weiter in die Tiefen des
Wißbaren hineingeschoben — praktisch ohne Ende.
Es ist das alles ganz ebenso wie beim Sehen eines
Gegenstandes aus der Ferne oder aus der Nähe. Sehe ich
von einem Berge in der Ferne eine Stadt mit einem
großen Gebäude, so weiß ich vielleicht, daß das eine
Kirche ist; in einigen hunderten Metern Entfernung er¬
fasse ich sie als eine gotische Kirche; noch näher ge¬
kommen, nehme ich die einzelne Ornamentik wahr —
und nun kann ich noch näher kommen, „mikroskopisch“
nahe, dann weiß ich, daß alles, was ich, in zunehmender
Schärfe der Gliederung, wahrnahm, letzthin bestimmte
Gruppierungen der Letztteile der Materie sind.
Diese letzte Zergliederung erscheint zunächst als gleich¬
gültig für den ästhetischen Wert der Kirche, ebenso wie im
alltäglichen Lehen ethisches Handeln sich auf sehr grobes
Wissen gründen kann. Wie aber hier mit vertieftem Wissen
der Bereich möglicher ethischer Handlungen sich erweitert,
so ist es auch durchaus denkbar, daß ästhetische Wir¬
kungen gesteigert werden möchten, verfügte der Künstler
über „mikroskopisches“ Wissen und wendete dieses an.
Zum Wesen des Menschen gehört notwendig Wissen-
Können und Immer-mehr-wissen-Wollen.Handeln-Können
und Immer-besser-handeln-Wollen gehört auch zu seinem
Wesen. Aber das Erste ist die Grundlage des Zweiten.
Mit diesen Worten ist die Behandlung der eigentlichen