Full text: Philosophische Gegenwartsfragen

Wissen und Handeln. 
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Freiheit des Ja oder Nein in Frage käme. Aber wer lügt — 
nun, der „lügt“ ja eben, d. h. er gibt für wahr aus, was 
ihm „klar und deutlich“ nicht wahr ist; sein eigentliches 
Wahrheits-Erfassen, das er eben verschleiert nach 
außen hin, bleibt psychisch determiniert, allem Hand¬ 
lungsindeterminismus zum Trotz. 
Denn das „Ich erfasse als wahr“ ist doch eben in jedem 
einzelnen Falle unentrinnbar; wenigstens dann, wenn wirk¬ 
lich klar und deutlich erfaßt wird. Wo „Zweifel“ besteht, 
liegt die Sache natürlich insofern anders, als dann eben 
nicht im eigentlichen Sinne Wahres erfaßt wird, sondern 
höchstens zwischen Wahrscheinlichkeiten abgewogen wer¬ 
den kann. Aber auch was dann herauskommt, ist deter¬ 
miniert durch das Wesen der Seele des Zweifelnden; er 
„muß“ das eine wahrscheinlicher sein lassen als das andere. 
So bleibt also auch für den, der Indeterminismus lehrt, 
„absolute“ Wahrheitserreichung unmöglich; ein „Kri¬ 
terium“ gibt es nicht für sie; nur geglaubt kann sie 
werden auf dem Boden des Vertrauens. Empirische 
„Allgemeingültigkeit“ freilich gibt es — das ist so etwas 
wie eine „glückliche Tatsache“ im Sinne Lotzes: „viele“ 
wenn nicht gar „alle“ Menschen sind sich ja doch über 
manche Dinge einig. Aber empirische Allgemeingültigkeit 
ist kein endgültiges Kriterium für absolute. 
D. Wissen und Handeln. 
In unserer Zeit findet man recht häufig die Lehre ver¬ 
treten, es sei die intellektuelle, die wissenschaftliche, kurz: 
die IEisse7is-Einstellung zur Welt nur eine neben anderen 
gleichberechtigten, ja vielleicht wertvolleren Einstellungs¬ 
arten, zumal neben der auf Handeln gerichteten prak¬ 
tischen. 
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