Full text: Philosophische Gegenwartsfragen

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Intuition und Positivismus. 
A. Intuition. 
1. Von der angeblichen Existenz einer 
metaphysischen Intuition. 
Mit dem Worte „Intuition“ wird heute von vielen ein 
Vermögen des Menschen bezeichnet, das Wesen des an 
sich wirklichen Seins oder wenigstens gewisse Seiten dieses 
Wesens unmittelbar wissend zu erfassen; und es wird von 
ihnen mit Bestimmtheit behauptet, daß ein solches Ver¬ 
mögen da sei, daß es existiere. 
Unzweideutig und klar wird das Vermögen der Intui¬ 
tion in diesem Sinne von Bergson eingeführt; weit we¬ 
niger klar und scharf dagegen von der jüngsten Gruppe 
der deutschen Phänomenologen, bei denen die deutliche 
Scheidung von Erscheinung und Ansichsein fehlt. Aber 
auch sie meinen mit ihrer „Wesenschau“ eine unmittelbar 
auf das an sich Wirkliche gerichtete Intuition, wenn sie 
auch, wie gesagt, Erscheinung und Ansichsein nicht rein¬ 
lich sondern. Den Begriff der „Allgemeingültigkeit“ im 
absoluten, nicht im enumerativen Sinne des „für jeder¬ 
mann“ oder „für alle Menschen“ Gültigen, einführend, 
denken sie immerhin an etwas, daß sich von der ich-eige- 
nen „solipsistischen“ Erfassung unterscheiden soll, wenn 
es vielleicht auch nur inmitten ihrer und durch das „ipse“ 
gewissermaßen entstellt gegeben ist. Auch hier soll also 
„Metaphysisches“ unmittelbar erfaßt werden, wenn dieses 
auch kein klares „Hinter“ den Erscheinungen bedeutet, 
sondern etwas recht Unbestimmtes und wenig Deutliches. 
Ich kann mich nicht davon überzeugen, und keiner hat 
in der Tat in zwingender Form dargetan, daß eine solche 
unmittelbar auf das Ansich gehende Intuition eine Fähig¬ 
keit des Menschen ist; gleichgültig, ob dieser Begriff klar 
und deutlich wie bei Bergson oder in der verschwömme-
	        
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