Verstöße gegen formale Logik.
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Beweisen aber heißt: als durch ein schon Gesetztes
mitgesetzt, unweigerlich mitgesetzt, aufweisen. Nun
gelten in der Lehre vom Beweisen oder Mitsetzen oder
„Schließen“ diese beiden Grundregeln:
Wer etwas als Grund bejaht, muß alle seine möglichen
Folgen bejahen. Wer etwas als Folge von etwas ver¬
neint, muß alles verneinen, was möglicher Grund dieses
Etwas sein könnte.
Aber es gibt nicht die ohne Prüfung vielleicht als
möglich erwarteten Sätze: Grund verneinen heißt Folge
verneinen, und Folge bejahen heißt Grund bejahen.
Mit der Ablehnung einer „Konsequenz“ also fällt
eine Theorie, mit ihrer Anerkennung aber erscheint sie
nur als formal möglich, aber nicht als „bewiesen“.
Also, auf Einstein angewandt: Wären jene astronomischen
Beobachtungen anders ausgefallen, so wäre Einstein’s
allgemeine Relativitätstheorie sachlich erledigt; wie die
Dinge liegen, erscheint sie als formal möglich, ja, meinet¬
wegen als formal gestützt, aber nicht als „bewiesen“.
Denn man kann jene Ablenkung des Fixsternlichtes aus
seiner Bahn auch anders deuten — (und muß es, was aber
nicht hierher gehört, aus anderen Gründen, weil nämlich
Einstein’s „Allgemeine“ Theorie gegen das ontologische
Wesen des Raumes verstößt1).
Sollte gute Schulbildung nicht wirklich solche Verstöße
vermeiden lassen ? Ich bin überzeugt, der frühere Zögling
eines katholischen Priesterseminars würde sie nicht be¬
gehen; der hat spartanische Denkschulung. Ja, aber nur
„formale“, höre ich sagen. Die Antwort darauf aber hat
zu lauten, daß die formale Denkschulung die aller-
wichtigste von allen Schulungen ist, denn ohne sie ist
*) Vgl. meine Schrift Relativ, Theorie und Weltanschauung. 2. Auf 1.
1929.