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Beispiele echt philosophischer Lehre.
Aber weiter: Teleologie ? Ja, das gibt’s beim Menschen
mit seinen bewußten Willenshandlungen. Bewußter
Handlung nun verdankte das organische Werden doch
wohl nicht sein Dasein. Also paßt das Wort überhaupt
nicht ganz; es „geht nicht zusammen“ (Seite 13) mit dem,
was vorliegt. Also — X.
Kant denkt hier sehr gewissenhaft. Und es kommt
noch, wie Unger er1) gezeigt hat, dazu, daß er sich
immer wieder davor fürchtet mit seinem Yitalismus meta¬
physischen Boden, den er sich selbst ausdrücklich ver¬
boten hat, zu betreten; was, nebenbei gesagt, sachlich
gar nicht der Fall ist. Kant schwankt, schwankt sehr,
fällt fortwährend, bildlich gesagt, hin und her, aus Ge¬
wissenhaftigkeit. Die Lösung findet er nicht, da er nicht
auf den Gedanken kommt, die rein gegenständlichen
Begriffe Ganzheit („Individualität“) und Ganzheits-
hezogenheit als echte Kategorien, die er sogar aus der
revidierten Tafel der Urteile hätte „deduzieren“ kön¬
nen2), hinzusetzen. Dann wäre Teleologie zu einem
Unterfall von lediglich psychologischer Verwendbarkeit
geworden.
„Was paßt zusammen ?“, „was paßt nicht zusammen ?“,
„was untersuche ich eigentlich ?“, „in welcher Umwelt
steht, was ich untersuche ?“ — diese unsere Fragen treten
hier fortwährend in enger Verkoppelung miteinander, auf.
Zu einer glatten Lösung kommt Kant nicht; die war erst
durch eine Reform der Kategorienlehre, ja, durch ein
Zurückgehen hinter den Begriff der Kategorie im engeren
Sinne, der Natur-Kategorie, möglich, wie ich es in meiner
„Ordnungslehre“ versucht habe.
*) Die Teleologie Kant’s und ihre Bedeutung für die Logik der Biolo¬
gie, 1921.
2) Kant Studien 16. 1911.