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Die Möglichkeitserwägung.
eigentlich überhaupt wolle, wenn man Philosophie
treibt. Diese Besinnung fehlt heute bei sehr vielen. Viele
in der Tat fangen heute zu „philosophieren44 an, ohne
auch nur im Geringsten zu sagen, was sie eigentlich be¬
zwecken, d. h. ohne ein Programm und eine Methodik zu
haben. Erst recht ist solcher Mangel an Besinnung an¬
gesichts der „Metaphysik44 vorhanden, ein Wort, mit dem
heute viele geradezu spielen ohne auch nur im Geringsten
zu sagen, was es bedeuten soll. Davon wird noch zu reden
sein.
Unsere Überzeugung geht nun dahin, daß alle Philo¬
sophie, soweit sie solid war, stets in erster Stufe ordnungs ¬
hafte Erfassung des Erlebnisinhaltes gewesen ist, und
daß Philosophie in erster Stufe gar nichts anderes sein
kann, mag sie später auch andere, nämlich die echt
metaphysischen, die „An sich44-Fragen aufrollen, was
dann aber scharf und klar gesagt werden muß.
Es ist auch falsch, schlechthin falsch, schlichtes Er¬
leben und Philosophieren in einen Gegensatz zueinander
zu bringen; das zweite ist nur ein Weiterarbeiten in
bezug auf das erste. Denn schon des schlichtesten Men¬
schen bewußtes Erleben ist ordnungshaftes Erfassen, nur
ist es von sehr roher grober Form und ohne die Be¬
sinnung darauf, daß es ordnungshaftes Erfassen ist. Der
Philosoph sieht eben viel mehr an Ordnung als der Naive,
und er weiß, daß er Ordnung schaut. Es ist, um im Bilde
zu sprechen, ungefähr so, wie wenn man aus weiter Ferne
eine große Kathedrale sieht: da sieht man eben nur, daß
es eine Kathedrale ist und weiter noch nichts. Kommt
man näher, so erkennt man etwa den gotischen Baustil,
und ist man noch näher, so schaut man Portale und Ma߬
werk in ihren Einzelheiten; der „Mikroskopiker44 könnte
endlich wohl noch erfassen, daß die einzelnen Atome hier