VI
Vorrede.
lassen. Immer „weiter gekommen“ ist man, jedes Jahr —
und merkte nicht, daß man zurück kam. Hegel war kurze
Zeit Mode, ist aber schon wieder unmodern; ja auch
Husserl ist nicht mehr the latest fashion. Philosophische
Lehren sind aber doch keine Damenhüte!
Und damit kommen wir auf die zweite Gefahr zu spre¬
chen, welche der Philosophie heute droht. Besonders be¬
liebt ist dabei so ein bißchen Mystik, eine Schwärmerei
fürs „Irrationale“. Nicht, daß man den in allem logisch
Erfaßten zurückbleibenden, hinzunehmenden, „gegebe¬
nen“ Rest an Bedeutungshaftigkeit oder Hic et nunc rein
und klar herauszuschälen sich bemühte, was eine sehr
wichtige und berechtigte Aufgabe ist. Man stellt viel¬
mehr von vornherein die ganzen Probleme in ein Dämmer¬
licht und freut sich dessen unbändig; man freut sich,
wenn man etwas nicht „versteht“. „Leben“, so sagt man,
soll sein, nicht Vernunft. Was das eigentlich heißen soll,
hütet man sich zu sagen —denn man weiß es selbst nicht.
Zerstören soll die Vernunft das Leben; davor will man es
bewahren. Im Grunde kommt alles auf eine Verherr¬
lichung der Triebe hinaus. Ungebändigt ist man selbst,
ungebändigt möchte man alle sehen, um nicht in seiner
splendid isolation zu bleiben; und nun macht man aus
dem triebhaften Ungebändigtsein eine ungebändigte
„Philosophie“, wobei die „Sophia“ wahrhaftig zum Teufel
geht.
Und wie schön eignen sich die Dinge, welche „Unter¬
bewußtsein“, „Komplexe“, „Okkultismus“ heißen für
diese Philosophie ohne Weisheit !
Ich bin, man weiß es, den eben genannten Dingen wahr
haftig nicht abgeneigt, ja halte sie, und zumal die Para¬
psychologie, für die größten Errungenschaften der neue¬
ren Wissenschaft. Aber erkennen will ich sie „klar und