V. PRIESTER UND LAIEN
Wenn wir die Kirche als den mystischen Körper Christi
'» betrachten,“ sagt Fenelon, „so muß sie in sich das Bild
des natürlichen Körpers des Heilands darstellen, den sie vertritt.‘
„C’est le Saint-Esprit qui anime et qui organise tout ce grand
corps: il imprime & touf le corps un mouvement de soumission
et de docilit€ pour les parties principales, qui tiennent lieu de la
föte.‘“‘ Fenelon führt dann weiter diesen Vergleich in allen Einzel-
heiten durch. Er zeigt, wie die Organe, welche die Bewegungen
des Körpers zu leiten haben, die nötige Weisheit und Autorität
dazu besitzen, wie die Augen zum sehen da sind und dazu,
den übrigen Teilen des Körpers die Richtung zu weisen, wie die
Ohren bestimmt sind, zu vernehmen, was alle Glieder angeht,
und der Mund dazu, im Namen aller und für alle zu sprechen.
So stellt die Kirche eine in sich gegliederte Einheit dar, ein
„wahrhaftes Ganze‘, „einen lebendigen Körper, mit seinen
Organen“‘‘ (85). Doch in den neueren Zeiten scheint dies nicht
mehr der Fall zu sein. Die Einheitsfunktionen sind gestört;
die Kirche hat aufgehört ein Organismus zu sein; es ist nicht
mehr das gleiche Leben, das Haupt und Glieder beseelt. Soweit
die Katholiken der hürgerlichen Klasse angehören, scheinen
sie eine selbständige Existenz zu führen. Das Bürgertum hat
seinen eigenen Verstand, seinen eigenen Willen, und es be-
trachtet gewissermaßen die ganze kirchliche Organisation von
außen.
Die Unterscheidung zwischen denen, die da lehren und
die Autorität ausüben, und den anderen, die zuhören und
gehorchen, liegt im Wesen der kirchlichen Organisation selbst.
Auf der einen Seite: die Priester, auf der anderen: die Laien,
die den Worten der Geistlichen lauschen. Ihnen kommt es
nicht zu, zu urteilen und zu diskutieren; „sie müssen anhören,
was man sie lehrt, ohne Widerspruch zu erheben‘‘ (86). In