Bürgertum und Volk
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ist, im Besonderen zu kennen und in expliciter Weise zu
glauben‘ (27), oder anders ausgedrückt: Es gibt „gewisse
grundlegende Artikel oder Dogmen‘‘, die „jeder Gläubige
verpflichtet ist, zu kennen und in expliciter Weise zu glauben,
wenn er nicht verdammt sein will“ (28). So muß man denn
wohl unterscheiden, was man explicite zu glauben hat und
was man implicite glauben darf. Es gibt gewisse Glaubens-
artikel, die zwar ihre berechtigte und notwendige Stelle in
der Lehre der Kirche haben, aber für die meisten von keinem
besonderen Interesse sind. Obwohl diese Artikel zum an-
erkannten Lehrbestande gehören und den Gelehrten bekannt
sind, „hat man doch nicht die Gewohnheit, sie ausdrück-
lich als Glaubensartikel den einfachen unwissenden Laien vor-
zulegen; denn für diese genügt es, sie in impliciter Weise
zu glauben‘ (29). Den Gläubigen ist es also gestattet, „nur
implicite‘‘ bestimmte Dogmen zu glauben, von denen sie keine
„deutliche‘‘ Kenntnis haben, „gewisse geoffenbarte Wahrheiten,
deren Kenntnis nicht unumgänglich notwendig für das Heil ist,
und die weder zu den Hauptdogmen gehören noch in diesen
Dogmen miteinbeschlossen sind‘. In Bezug auf diese Dogmen
„genügt es, daß der einfache Gläubige im Allgemeinen an alles
das glaubt, was die Kirche glaubt; dann ist sein Glaube, ob-
wohl es sich nur um eine fides implicita handelt, nicht gegen-
standslos. Denn er weiß auf Grund der Offenbarung, daß
die Kirche alle christlichen Wahrheiten bewahrt und daß sie
nicht irren kann, weder was ihren Glauben anbetrifft noch
ihre Lehre noch ihre Entscheidung in bezug auf die Dogmen
und die Sitten‘‘ (30).
Wir werden noch auf die Theorie der fides implicita und
explicita und ihre Bedeutung für die religiöse Entwicklung
der Neuzeit zurückkommen müssen. Hier gilt es nur vor allem
auf den Zusammenhang dieser Lehre mit der Lage, die sich
für die Kirche aus dem Auftreten des gebildeten Laien ergab,
hinzuweisen. Der gebildete Laie hatte die Frage nach dem
Wahrheitsgehalt der katholischen Lehre aufgeworfen, und er
neigte dazu, gewisse Punkte herauszugreifen, die ihm als
besonders zweifelhaft erschienen. Demgegenüber hatte die
Kirche eine Antwort bereit, die, wie es scheinen konnte,
den Bestrebungen des gebildeten Laien von vornherein einen
Riegel vorschob. Glaubt an die Kirche, so konnte sie sagen;