Full text: Das Bürgertum und die katholische Weltanschauung (1)

Symbol und Rede 
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dieses Gefühl der Stetigkeit und Sicherheit, das einen inte- 
grierenden Bestandteil seines Glaubens selbst bildet. Dieser 
beruht nicht auf einer bestimmt formulierten Lehre, sondern 
auf einem unmittelbaren Bewußtsein der Wirklichkeit und 
der Dauer einer Organisation. Diese Organisation stellt sich 
für den schlichten Gläubigen dar als ein Gesamtzusammen- 
hang von Zeichen, Symbolen, Festen, Gebäuden und be- 
stimmten Persönlichkeiten. 
Aus diesem Zusammenhang löst aber nun der gebildete 
Laie mit der Zeit immer mehr einen bestimmten Bestandteil 
heraus, den er für sich absondert und als solchen betrachten 
und prüfen will: das, was sich in Worten ausdrücken läßt, 
die Lehre oder vielmehr diese oder jene besondere Lehre. Oder 
anders ausgedrückt: an Stelle des Symbols — hier im weitesten 
Sinne genommen — tritt das Wort. Damit stellt sich die Frage 
der Wahrheit in ihrer abstrakten Gestalt losgelöst aus aller 
Einkleidung. Der gebildete Laie will wissen, ob das, was ihm 
in der Kirche als Wahrheit vorgetragen wird, wirklich die 
Wahrheit ist, wobei es ihm wenig darauf ankommt, wer die 
Lehrer sind oder wo und in welchen äußeren Formen be- 
stimmte Behauptungen aufgestellt werden. Damit befindet 
sich die Kirche dem gebildeten Laien gegenüber in einer Zwangs- 
lage. Sie muß zu überzeugen suchen, und sie kann es nur, 
wenn sie mit ihm argumentiert, Definitionen sucht, auf seine 
Einwände eingeht, das heißt eben ihrerseits die Lehre als eine 
vom Übrigen zu isolierende Gegebenheit betrachtet, die Tren- 
nung von Symbol und Wort akzeptiert. 
.„L’Eglise parle peu elle-meme‘‘, sagt der Abbe Pluche. 
Doch den gebildeten Laien gegenüber muß sie ihr Schweigen 
brechen, um denen Rede und Antwort zu stehen, denen das 
Zeugnis der Gebäude und des Kultus nicht mehr genügen 
kann. So wird.der innere Zusammenhang durchbrochen, der 
Lehre und Leben in der katholischen Kirche verbindet. Die 
Predigt findet immer mehr gewissermaßen außerhalb der Kirche 
statt, auf den öffentlichen Plätzen, auf denen jeder sein Wort 
zu sagen hat. Die Lehre ist nicht mehr eingebettet in diese 
geheimnisvolle Atmosphäre, in dieses Helldunkel, das sie den 
Blicken der Gläubigen entzog. Wird aber einmal die ;hre. so 
gefaßt, stellt sie sich so dar losgelöst von aller was sje 
umgab, reduziert auf eine Reihe von En Sta 
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