Symbol und Rede
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dieses Gefühl der Stetigkeit und Sicherheit, das einen inte-
grierenden Bestandteil seines Glaubens selbst bildet. Dieser
beruht nicht auf einer bestimmt formulierten Lehre, sondern
auf einem unmittelbaren Bewußtsein der Wirklichkeit und
der Dauer einer Organisation. Diese Organisation stellt sich
für den schlichten Gläubigen dar als ein Gesamtzusammen-
hang von Zeichen, Symbolen, Festen, Gebäuden und be-
stimmten Persönlichkeiten.
Aus diesem Zusammenhang löst aber nun der gebildete
Laie mit der Zeit immer mehr einen bestimmten Bestandteil
heraus, den er für sich absondert und als solchen betrachten
und prüfen will: das, was sich in Worten ausdrücken läßt,
die Lehre oder vielmehr diese oder jene besondere Lehre. Oder
anders ausgedrückt: an Stelle des Symbols — hier im weitesten
Sinne genommen — tritt das Wort. Damit stellt sich die Frage
der Wahrheit in ihrer abstrakten Gestalt losgelöst aus aller
Einkleidung. Der gebildete Laie will wissen, ob das, was ihm
in der Kirche als Wahrheit vorgetragen wird, wirklich die
Wahrheit ist, wobei es ihm wenig darauf ankommt, wer die
Lehrer sind oder wo und in welchen äußeren Formen be-
stimmte Behauptungen aufgestellt werden. Damit befindet
sich die Kirche dem gebildeten Laien gegenüber in einer Zwangs-
lage. Sie muß zu überzeugen suchen, und sie kann es nur,
wenn sie mit ihm argumentiert, Definitionen sucht, auf seine
Einwände eingeht, das heißt eben ihrerseits die Lehre als eine
vom Übrigen zu isolierende Gegebenheit betrachtet, die Tren-
nung von Symbol und Wort akzeptiert.
.„L’Eglise parle peu elle-meme‘‘, sagt der Abbe Pluche.
Doch den gebildeten Laien gegenüber muß sie ihr Schweigen
brechen, um denen Rede und Antwort zu stehen, denen das
Zeugnis der Gebäude und des Kultus nicht mehr genügen
kann. So wird.der innere Zusammenhang durchbrochen, der
Lehre und Leben in der katholischen Kirche verbindet. Die
Predigt findet immer mehr gewissermaßen außerhalb der Kirche
statt, auf den öffentlichen Plätzen, auf denen jeder sein Wort
zu sagen hat. Die Lehre ist nicht mehr eingebettet in diese
geheimnisvolle Atmosphäre, in dieses Helldunkel, das sie den
Blicken der Gläubigen entzog. Wird aber einmal die ;hre. so
gefaßt, stellt sie sich so dar losgelöst von aller was sje
umgab, reduziert auf eine Reihe von En Sta
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