VORWORT
Dieses Buch soll der geschichtlichen Selbsterkenntnis dienen.
„Der Mensch erkennt sich nur in der Geschichte, nie
durch Introspektion‘‘, sagte Dilthey. Geschichtliches Bewußt-
sein in diesem Sinne ist kein bloßes Verständnis des ‚,Ver-
gangenen‘, Es bedeutet Selbstbesinnung, es besagt Bewußt-
werden seiner selbst am Geschichtlichen: du bist ein Mensch
dieser Zeit, erkenne dich als Menschen dieser Zeit; erkenne
dich in der Zeit. Es gibt Epochen geschichtlichen Lebens, in
denen der Mensch von sich sagt: Ich bin der Mensch, der
Mensch schlechthin. Wir leben nicht in einer solchen Zeit.
Wir wissen um unsere Zeitlichkeit; wir kennen unsere Ver-
gänglichkeit. Wir sind uns unserer Einmaligkeit bewußt. Es
hat andere Menschen gegeben, und es wird andere Menschen
geben. Wir stellen einen Menschentypus dar, nicht den ganzen
Menschen.
So möchte ich hier den Bürger zu verstehen suchen: als eine
Art Mensch, als unsere Art Mensch zu sein, zu denken und zu
handeln. Es handelt sich hier nicht darum ihn zu werten,
auch nicht darum, den Sinn seiner geschichtlichen Leistung aus-
zusprechen. Nur dies setze ich voraus, daß er eben anders
ist als der Mensch der Vergangenheit, und auch anders als
der Mensch der Zukunft, daß wir auch ihn auffassen müssen
als geschichtliches Phänomen, als etwas Relatives, in seiner
geschichtlichen Bedingtheit Vergängliches.
Der Bürger hat seine Welt. Nur aus dieser Welt heraus
ist er verständlich: eine Welt, die da ist vor allen Deutungs-
versuchen, eine unmittelbar erlebte Weltanschauung vor aller
Reflexion über das Weltganze. Um dies zu verstehen, müssen
wir den Begriff der Weltanschauung herauslösen aus seiner
philosophisch-systematischen Einschränkung, müssen wir ihn