Full text: Zur Lage der Arbeiter im staatlichen Bergbau an der Saar

Im Saarbergbau 
vor 1889 
herrschende Miß 
stände. 
Bergarbeiter 
streiks von 1889 
und den 
folgenden Jahren 
Behandlung 
der A rbeiter seit 
1893. 
Es bildeten sich dann unter dem Drucke der schlechten wirtschaftlichen 
Verhältnisse und einer wenig sozialen Leitung des Saarbergbaues manche Miß 
stände aus, die die bedenklichsten Folgen für die Arbeiter hatten und auch dem 
Staate als Arbeitgeber einen großen Schaden zufügten. So in Bezug auf die Ar 
beitszeit, 1 ) die Gedingefestsetzung und das Strafwesen. 1 2 ) Das Beschwerderecht 
der Bergleute war in der Praxis derart eingeschränkt, daß davon stellenweise 
keine Rede mehr sein konnte. So war nachgewiesenermaßen jedem, der sich direkt 
beim Direktor beschwerte, durch Anschlag eine Geldstrafe von 6 Mark oder 8 Tage 
Ablegung angedroht. Wer sich gegen einen Vorgesetzten beschwerte, setzte sich der 
Gefahr aus, auf das Schlimmste bedrückt oder ganz abgelegt zu werden}) Es 
bildete sich ein widriges Denunziantenwesen heraus. Weiter waren Durchsteche 
reien die Folgen des herrschenden Systems. Manche Beamte nahmen Geld 
geschenke von den Bergleuten, oder beschäftigten Arbeiter für sich und hielten 
sie auf Kosten des Fiskus schadlos. Dadurch wurde der Fiskus nicht nur direkt 
sondern auch indirekt schwer geschädigt, weil er einerseits für Arbeiten zahlen 
mußte, die nicht für ihn geleistet waren und andererseits auch die Leistung durch 
das Schmiersystem ungünstig beeinflußt wurde. 
Der große Bergarbeiterausstand von 1889 hatte dann eine Revision und 
weitgehende Verbesserung der Arbeiterverhältnisse im Saarrevier zur Folge. 
Die zu Tage getretenen Mißstände suchte man zu beseitigen und die Löhne 
erfuhren eine recht ansehnliche Erhöhung. Weitergehende Wünsche der Ar 
beiter, ein als Folge des bisherigen Druckes auf die Arbeiter natürlicher unge 
sunder Radikalismus und insbesondere die Unklugheit der Mehrheit der Führer 
der im Jahre 1889 gebildeten Bergarbeiter-Organisation im Saarrevier sowie 
auch manche nicht zu leugnende Fehler der Bergverwaltung führten dann in 
den folgenden Jahren zu einigen weiteren Teilausständen. Sie hatten die Ab 
legung eines Teiles der in Betracht kommenden Arbeiter zur Folge. Der 1889 
gebildete Rechtsschutzverein der Saarbergleute ging hauptsächlich infolge der 
Unklugheit und der Fehler seiner Führer und des Abschwenkens derselben in 
das sozialdemokratische Lager im, Jahre 1893 ein. 
Seit dieser Zeit umrden die Saarbergleute mit eiserner Strenge regiert. 
Mehr noch wie früher ward jede selbständige Regung unterdrückt, jeder Versuch 
der Auflehnung streng geahndet. Eine gewerkschaftliche Organisation wurde 
über ein Jahrzehnt lang nicht geduldet. Die nach dem Streik von 1889 einge 
führten Arbeiterausschüsse hatten nur eine theoretische Bedeutung, die Aus- 
schußmitglieder durften es gar nicht wagen, ihren Posten gut auszufüllen. 
Abweichend von früher war die von der Bergverwaltung betätigte Lohnpolitik. 
Während man bisher sich damit eng an die jeweilige Konjunktur anlehnte, 
wurde, jetzt für eine längere Zeit eine stetige Lohnpolitik verfolgt. Die 
staatliche Bergverwältung ließ bei aufsteigender Konjunktur weder ein schnelles 
bedeutendes Steigen der löhne zu, noch bei niedergehender Konjunktur ein ent 
sprechendes Sinken. Wie die Arbeiter hierbei fuhren, sei an anderer Stelle gezeigt. 
Das im Saarrevier herrschende System hatte wiederum recht üble Folgen, 
die allerdings sich erst voll zeigten, als das System zusammengebrochen war. 
Ebenso ivie vor 1889 übte das herrschende System einen ungünstigen Einfluß 
auf den Charakter vieler Beteiligten aus, ebenso wie damals fand auch wieder 
das Schmiersystem Eingang. Es kamen Durchstechereien in außerordentlich 
1 ) E. Müller : Ebenda. S. 4g j. und amtliche ,,Denkschrift über die, Untersuchung 
der Arbeiter- und Betriebsverhältnisse in den Steinkohlenbezirken". Berlin 1890. 
2 ) Denkschrift über die Untersuchung usw. und Imbusch : Arbeitsverhältnis und 
Arbeiterorganisationen im deutschen Bergbau. Essen 1908. S. 87 u. 367 f. 
J ) Imbusch : Arbeitsverhältnis usw. S. 367 f. 
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