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Nach den Schlagwetterexplosionen im Saarrevier ging man dem Kohlenstaub ganz energisch
zu Leibe. Die Zahl der mit der Befeuchtung des Kohlenstaubes beschäftigten Leute wurde
verdoppelt, es wurden Spritzmeister angestellt. Diese wurden aus älteren zuverlässigen
Hauern ausgewählt; der eigentlichen Kohlengewinnung wurden dadurch viele Leute ent
zogen. Die neuen Spritzenmeister sparten nicht an Wasser, die Strecken schwammen.
Der Kohlenstaub wurde mit aller Gründlichkeit beseitigt, wodurch aber andere Übelstände
erzeugt wurden. Die Seitenstöße der Strecken bröckelten durch das intensive Naßmachen
los, die Bergemauern der Strebestrecken usw. brachen herein, das Liegende quoll auf. Für
die Unterhaltung der Strecke wurden mehr Leute erforderlich, die wiederum der Kohlen
gewinnung entzogen wurden, aber- trotzdem wurden die Störungen der Kohlenförderung,
die durch das Hereinbrechen von Felsmassen und Heben des Liegenden entstanden, größer.
Nun der nicht gerade seltene Fall, daß an irgend einer Stelle die Spritzwasserleitung
bricht. Geschossen darf nicht werden, bevor die Schußstelle in einem Umkreise von zehn
Metern berieselt wird. Ein Bruch der Wasserleitung, dessen Beseitigung unter Umständen
mehrere Stunden dauern kann, bedingt bei strenger Handhabung der Bergpolizeiverordnungen
das Einstellen der Schießarbeit für den Feldesteil, dem kein Spritzwasser zugeführt werden
kann. Muß der Bergmann aber ohne Schießarbeit auskommen, so kann er auch bei größter
Anstrengung nicht das übliche Kohlenquantum fördern. Hier wie früher wieder das gleiche
Bild: die Kohlenförderung und damit auch die Tonnenleistung geht zurück, während die
eigentliche Leistung der Bergleute dieselbe bleibt oder gar steigt.
Nach den großen Grubenunglücken wurde eine Befahrungskommission ins Saarrevier
entsandt, um Mängel und Mißstände aufzudecken und Vorschläge zu machen, wie jenen
abzuhelfen ist. Am besten wäre es gewesen, wenn diese Kommission bei ihrer offiziellen
Ankündigung bereits im Saarrevier angelangt war und dort innerhalb weniger Tage alle
Gruben befahren hätte. Wie war nun die Sache in Wirklichkeit? Die Kommission war
vor ihrer Ankunft avisiert. Zwischen der Befahrung der ersten und letzten Grube lagen
Monate, zudem waren die Grubenfahrten genau bestimmt und festgelegt, man wußte be
stimmt, wohin die Kommission fuhr und wohin sie nicht fuhr. Die Folgen dieser Maß
nahmen war naturgemäß die, daß die Gruben sich vorbereiten und die von der Kommission
befahrenden Baue herrichten konnten, daß es nirgends etwas auszusetzen gab. Doch das
fällt nicht in den Böhmen dieses Aufsatzes. Was hier interessiert, ist der Umstand, daß die
Gruben, die noch den Besuch der Kommisson erwarteten, ihr ganzes Augenmerk auf eine
den Vorschriften entsprechende Zurichtung ihrer Betriebe richtete. Das kostet Geld und
Zeit. Und die darauf veruxmdte Zeit geht bei der Kohlengewinnung verloren. Hier handelt
es sich nicht um Hunderte, sondern um Tausende von Tonnen Kohlen, die plötzlich weniger
gefördert werden. Ein solcher Rückgang muß selbstverständlich auf die Tonnenleistung
der Gesamtbeleg schaß ungünstig einwirken.
Die bisher angeführten Gründe für den Rückgang der Förderung wurden durch die
furchtbaren Katastrophen gegeben; je weiter die Begebnisse in die Vergangenheit rücken,
je mehr treten die früheren Verhältnisse, die normale Handhabung derVorSchriften wieder
in den Vordergrund, und in demselben Verhältnisse steigt die Kohlenförderung wieder. Wenn
man an den Schutz des Lebens und die Gesundheit der Bergleute denkt, muß man die Stei
gerung der Kohlenförderung durch diese Ursache bedauern. 1 '’
Der Vorhersage des ,,Bergknappen“ entsprechend ging dann auch die
Durchschnittstonnenförderung auf den Kopf der Gesamtbelegschaft um 13 Tonnen
zurück. Und das in einer Zeit der Hochkonjunktur. Daß wirklich das Unglück
und seine Folgen zu dem Rückgang der Durchschnittsförderung zum mindesten
mit beitrug, geben auch die dem Hohen Hause der Abgeordneten (21. Legislatur
periode II. Session 1908/09) zugegangenen Nachrichten von dem Betriebe der
unter der preußischen Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung stehenden Staats
werke während des Etatsjahres 1907 zu. Dort wird der Rückgang der Förderung
an der Saar zum Teil auf die Arbeiterverhältnisse und die Abwanderung jüngerer
leistungsfähiger Arbeitskräfte zurückgeführt und hinzugefügt:
,,Ferner machte sich der Einfluß des Redener Massenunglücks am 28. Januar 1907
in einem Rückgänge der Leistungen stark bemerkbar. Zu der Abnahme der Arbeitsleistung
trugen auch nicht unwesentlich die aus Anlaß dieses Unglücks gesteigerten Sicherheits
maßnahmen und die Verschärfung der bergpolizeilichen V or Schriften bei." (S. 4.)
Ähnlich spricht sich auch der amtliche Bericht über ,,Die Bergwerks
industrie und Bergverwaltung Preußens im Jahre 1907“ in der Zeitschrift für